Griechenland – was nun?

Berlin, 16.07.2015 – Am 05. Juli hat sich die griechische Bevölkerung in einem Referendum gegen ein Angebot der Eurostaaten ausgesprochen, das Griechenland weitere Hilfen im Austausch für Strukturreformen gesichert hätte. Die Verhandlungen stehen wieder am Ausgangspunkt. In den nächsten Tagen und Wochen wird es intensive Gespräche zwischen der griechischen Regierung und der Eurogruppe geben, um eine Staatspleite und ein Ausscheiden aus dem Euro („Grexit“) zu verhindern.

Im Haushaltsausschuss, dem ich angehöre, haben wir in den letzten Wochen die Finanzhilfen für Griechenland regelmäßig diskutiert. Als erste Industrienation hat Griechenland eine am 30. Juni fällige Kreditrate an den Internationalen Währungsfond (IWF) nicht zurückbezahlt. Zeitgleich ist das im Februar 2015 verlängerte Hilfsprogramm (Griechenland II) ausgelaufen. Weitere Finanzhilfen der EU können somit nur durch den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) geleistet werden. Zum besseren Verständnis, wie es jetzt weitergehen könnte, habe ich das weitere Vorgehen vereinfacht zusammengefasst:

1. Finanzhilfen werden nur gewährt, wenn sie zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Raumes insgesamt und seiner Mitgliedsstaaten unabdingbar sind.

2. Nach Eingang eines Finanzhilfe-Antrages an den ESM-Gouverneursrat (in der Regel die Finanzminister) wird dieser Antrag genau analysiert und dann bewertet. Auf Grundlage dieser Bewertung erwirkt der ESM-Gouverneursrat einen Beschluss, ob grundsätzlich eine Finanzhilfe gewährt werden kann. Vor dieser Entscheidung muss es allerdings eine Zustimmung des Bundestages geben, da der Bundesfinanzminister im Gouverneursrat sonst zwingend dagegen stimmen muss.

3. Im Falle einer Zustimmung des Bundestages und des dann folgenden Grundsatzbeschlusses legen verschiedene Gremien der EU gemeinsam mit dem Land, das die Finanzhilfen beantragt, die Auflagen der Finanzhilfe fest. Gleichzeitig werden die Finanzierungsbedingungen im Einzelnen, die gewählten Finanzierungsinstrumente (der ESM hat mehrere Möglichkeiten der Finanzhilfe) und ggf. die Auszahlung der ersten Tranche der Hilfe ausgearbeitet.

4. Erst dann kann durch Beschlüsse des ESM-Gouverneursrates, des ESM-Direktoriums die Finanzhilfe formell gewährt werden. Wie schon beim Grundsatzbeschluss (siehe 2.) ist vor den abschließenden Beschlüssen im Bundestag darüber abzustimmen. Der Finanzminister ist an das Ergebnis dieser Abstimmung gebunden.

In der noch ungeklärten Situation droht Griechenland eine ernsthafte humanitäre Krise. Hier sind die europäischen Staaten – darunter auch Deutschland – gefordert, bei der Versorgung der Bevölkerung mit lebenswichtigen Gütern und Medikamenten zu helfen. Die europäische Solidarität darf auch bei allem Ärger über die Athener Regierung nicht verweigert werden.